Als Abschluss der Unterrichtseinheit: „Integration – Inklusion? Leben mit körperlichen Einschränkungen“ wagten wir, der Sozialpädagogikkurs der 10. Klasse am Donnerstag, den 10.7.14, sozusagen einen Selbstversuch, um uns besser in die Lage eines körperbehinderten Menschen versetzen zu können. Das Sanitätshaus Strack in Edenkoben stellte uns dafür netterweise sieben Rollstühle kostenlos zur Verfügung. Auf dem Weg zum Bahnhof übten wir schon mal, Straßen im Rollstuhl richtig zu überqueren, Bordsteinkanten zu überwinden und gerade zu fahren trotz abfallender Gehwege!
Frohgemut kamen wir am Bahnhof an, leider fielen an diesem Morgen alle Züge nach Landau aus. Wir mussten den Bus nehmen! Die wirklich sehr hilfsbereite Busfahrerin stellte eine mobile Rampe an die Hintertür des Buses, über die wir in den Bus rollen wollten. Doch erstens hatten sogar unsere sportlichen Jungs Mühe, die Steigung zu überwinden und zweitens passen in keinen Bus sieben Rollstühle. Vier von uns mussten daher aus dem Rollstuhl aussteigen und ihn zusammenklappen. Wären wir wirklich eine Gruppe von körperbehinderten Schülern gewesen, wäre unser gemeinsamer Ausflug jetzt schon zu Ende gewesen!
In kleinen Gruppen wollten wir nun in Landau testen, wie man als Rollstuhlfahrer durch die Geschäfte bummelt. Unser Fazit: Wir waren entsetzt! Anders kann man das nicht ausdrücken. Fast jeder 2. Laden in der Marktstraße kann nur über eine oder mehrere Treppen betreten werden! Rampen haben wir in dieser Straße NICHT gesehen! Unsere Mitschüler, die gerade im Rollstuhl saßen, mussten draußen bleiben oder mühevoll über die teilweise sehr hohen Stufen gezerrt werden. In den Geschäften herrschte meist eine unglaubliche Enge, die Waren waren oft bis in die Gänge gestapelt, ein Durchkommen mit dem Rollstuhl – unmöglich!
Zwei ältere Frauen im Rollstuhl trafen wir und wollten nun auch von ihnen hören, welche Erfahrungen sie täglich machen. Sie berichteten, von Zebrasteifen, auf dessen einer Seite die Bordsteinkante abgesenkt ist, auf der anderen Seite nicht!, von zu engen Aufzügen, von Autofahrer, die gerne auf den abgesenkten Bordsteinkanten parken oder den Gehweg durch ihr Parken ganz blockieren! und, dass es nur ganz wenige Kirchen in Landau gäbe, die als Rollstuhlfahrer, als Rollstuhlfahrerin selbstständig betreten werden können. Wir konnten das eigentlich gar nicht glauben! Heutzutage! Was wäre, wenn unsere kleine Schwester oder eine gute Freundin so leben müsste?! Zu unserer Fassungslosigkeit mischte sich immer mehr Ärger über diese Situation, der Rollstuhlfahrer immer wieder ausgesetzt sind!
Wir hatten eher mit abschätzigen Blicken und mangelnder Hilfsbereitschaft von vorbeieilenden Passanten gerechnet, doch hier erlebten wir fast immer nur Positives. Alle Leute, denen wir von unserem Projekt erzählten, fanden es sehr gut. Eine Verkäuferin eines gerade neu renovierten Ladens in der Marktstraße, die wir auf die fehlende Rampe im Eingangsbereich hinwiesen, wollte ihrer Geschäftsleitung darauf aufmerksam machen.
Es wäre wirklich schön, wenn wir durch unser Projekt dazu beigetragen hätten, die Situation ein ganz kleines bisschen zu verbessern! Wir können nur allen raten, ob Bürgermeister, Geschäftsführer oder wer auch immer, sich für ein, zwei Stunden in einen Rollstuhl zu setzen und auch einen „Selbstversuch“ zu unternehmen!
Danke nochmal an das Sanitätshaus Strack für ihre großzügige und freundliche Unterstützung!