Gabriel Bouthière und Theo Bollenbach begründen die Städte- und Schulpartnerschaft:
Drei Fragen an Theo Bollenbach, damaliger Bürgermeister der Stadt Edenkoben, Zeitzeuge und Mitbegründer der Städte-/Schulpartnerschaft zwischen den Gemeinden Edenkoben und Étang-sur-Arroux:
Mit welcher Motivation sind Sie damals die Städtepartnerschaft eingegangen?
Bereits im Jahr 1962 – also ein Jahr vor der Unterzeichnung Élysée-Vertrags – hatte das noch junge Bundesland Rheinland-Pfalz fünf pfälzische Bürgermeister zu einer französischen Woche nach MAINZ eingeladen, um sich mit einer Gruppe von Bürgermeistern und Parlamentariern aus der Region Burgund zu treffen. Damals wurde erkannt, dass man besonders auf die Jugend – also die Schülerinnen und Schüler – beider Nationen setzen müsse, um eine entstehende Verständigung zu fördern. In dem Bürgermeister der Gemeinde Étang-sur-Arroux, M. Gabriel Bouthière, dem späteren Namensgeber der französischen Partnerschule der jetzigen Paul-Gillet-Realschule plus, traf ich auf einen engagierten und einflussreichen Partner, mit dem ich schon früh positive Zeichen eines beginnenden Miteinanders setzen konnte. Man darf nicht vergessen, dass Étang im Jahr 1940 unmittelbar an der Grenze zwischen dem vom Nazi-Regime besetzten und dem restlichen Teil Frankreichs lag, das nach dem damaligen Regierungssitz „Vichy-Frankreich“ benannt war. Daher war gerade in Étang ein französischer Nationalismus besonders ausgeprägt.
Was können Sie dabei als Ihr persönlich schönstes Erlebnis verzeichnen?
Ein Edenkobener Bürger, der unter der französischen Besatzungsmacht nach Kriegsende Willkür und sogar Prügel ertragen musste, war bereit eine Schülerin aus Étang als Gastschülerin seiner eigenen Tochter in seiner Familie aufzunehmen.
Was empfehlen Sie denen, die heute die Partnerschaft pflegen und gestalten?
Dass sie die regelmäßigen Schülerbegegnungen in beiden Partnergemeinden weiterhin als eine Selbstverständlichkeit sehen und fördern. Die Schülerinnen und Schüler aus beiden Gemeinden sollen ermuntert werden in noch stärkerem Maß aufeinander zuzugehen.
Grußwort von Wolfgang Wünschel
Schulleiter der Realschule Edenkoben von 1995-2009
Im September 1963 besuchten dreizehn Schülerinnen und Schüler aus Etang ihre Austauschpartner in Edenkoben. M. Hugotte, damaliger Schulleiter in Etang, sagte zum Abschied: „Wir haben ein Glied an der Freundschaftskette zwischen beiden Völkern geschmiedet.“ Roland Jossé, der damalige Schulleiter der Realschule, verglich den Austausch mit einem Freundschaftsbaum. Dieser ist in den zurückliegenden Jahren prächtig gediehen und hat inzwischen 50 Jahresringe.
Eine Besonderheit des Schüleraustauschs mit dem Collège Bouthière in Etang war für mich, dass die Pflege der deutsch-französischen Beziehung nicht allein in den Händen der Französischlehrkräfte lag, sondern von vielen Kolleginnen und Kollegen beider Schulen mitgetragen wurde. Gegenseitige Besuche mit gemeinsamen Ausflügen z.B. nach Trier, Mainz oder Lyon schufen eine persönliche Verbundenheit und bleiben unvergesslich.
Mehr als zehn Jahre koordinierte Claudia Kaufmann in Edenkoben mit ihren Französisch-Kolleginnen und –Kollegen den Austausch.
Ein Ritual beim jeweiligen Schülergruppen-Abschied in Edenkoben war die Übergabe des „blauen Korbs“ voller Proviant und schöner Erinnerungen für die Heimreise nach Etang.
In Etang war insbesondere die Schulsekretärin Annie Jeannin über Jahrzehnte hinweg Motor und Garant des Austauschs. Sie verstarb kurz nachdem sie in den Ruhestand verabschiedet worden war. Eine Delegation ihrer hiesigen Freunde konnte ihr in herzlicher Verbundenheit noch ein Edenkoben-Portrait überreichen.
Claudia Kaufmann schrieb mir vor ein paar Tagen: „Was mir von den 10 Jahren Austausch bleibt, sind Freundschaften: zu den Menschen, die ich dadurch näher kennengelernt habe, sowohl in Edenkoben als auch in Etang. Wenn ich dabei Annie besonders erwähne, dann ist es, weil sie mir fehlt. Mein erster Eindruck von ihr war: blaue Augen, die mit Wärme und unglaublicher Energie sehr viel sehen und alles im Griff haben. Wir konnten immer miteinander Lösungen finden für unerwartet auftauchende Probleme. Annie ist für mich ein „roter Faden“ im Schüleraustausch geworden, eine frohgelaunte und zuverlässige Konstante.“
In vielfältigen Rollen und Funktionen unterstützt Jean-Pierre Marie seit vielen Jahren den Schüleraustausch und die Freundschaft zwischen Etang und Edenkoben:
Als Lehrer im Collège Bouthiére, als Beigeordneter von Bürgermeister Jaquemard, als Vorsitzender des comité de jumelage, als Leiter des Büro für Tourismus in Etang usw. Jedesmal, wenn er mit ausdrucksstarker Stimme, Mimik und Gestik mit mir spricht, habe ich das Gefühl, mein Französischwortschatz hätte sich wieder verbessert…
Im Collège Bouthiére hat ein Fantasievogel aus Edenkoben einen Ehrenplatz. Überreicht haben wir das Kunstwerk vor zehn Jahren. Damals wollten wir dem Wunsch Flügel verleihen, dass sich noch viele junge Menschen aus unseren beiden Ländern kennen und schätzen lernen.
„Es handelt sich um eine Elwetritsche, einen Fantasievogel, den es nur in der Pfalz gibt. Dieses Exemplar ist ein Jungvogel aus der Familie der Reisetritschen. Die Reisetritschen sind mutig, neugierig, unternehmungslustig und immer unterwegs. Das Ziel dieses Jungvogels liegt 500 Kilometer entfernt in der Pfalz. Es ist Edenkoben. Und die Tritsche hat ein Geheimnis: Es bringt Glück, über ihren goldenen Schnabel zu streichen.“
Grußwort von Roland Jossé
Schulleiter der Realschule Edenkoben von 1963 bis 1992,
Chevalier dans l’Ordre des Palmes Académiques
Da ich als Jugendlicher den unseligen 2. Weltkrieg erlebt habe, war es mir ein Herzensbedürfnis, einen kleinen Beitrag zur Versöhnung mit unseren westlichen Nachbarn zu leisten.
Bereits im Gründungsjahr der Realschule Edenkoben kam es zum ersten Treffen zwischen deutschen und französischen Schülern. In schöner Regelmäßigkeit folgten Jahr für Jahr zwei Begegnungen. So gelang es – trotz anfänglicher Vorbehalte von beiden Seiten – Vorurteile abzubauen, Verständnis zu wecken und Freundschaft anzubahnen.
Mein Dank richtet sich an die vielen engagierten Kolleg(innen), an die Direktoren Victor Hugotte und Jean Cottin, vor allem aber an den unvergesslichen Elternbeiratspräsidenten Paul Lehmann, die alle hilfsbereite und verständnisvolle Partner waren.
Mit den Menschen in Etang, der Arroux und dem Morvangebirge verbinden mich viele schöne Erinnerungen.
Grußwort von Heinz Wissing
Lehrer der Realschule Edenkoben
Folgende Erinnerung an einen Schüleraustausch hat sich mir unauslöschlich ins Gedächtnis eingeprägt. Frau Inge Müller und ich waren die Lehrkräfte, welche die Schülergruppe aus Edenkoben nach Etang begleiteten. Frau Müller hatte den Ehrgeiz, jede Schülerin und jeden Schüler mindestens einmal mit dem Fahrrad bei seiner Gastfamilie zu besuchen. Wir liehen uns Fahrräder aus und schauten in der Regel an einem Tag bei zwei bis drei Schüler/innen vorbei.
An einem schwülen Nachmittag, wir hatten unsere Besuche abgeschlossen und befanden uns auf dem Heimweg nach Etang, wurden wir von einem plötzlich aufziehenden Gewitter überrascht. Noch ehe wir Etang erreicht hatten, setzte ein wolkenbruchartiger Regen ein. Unter dem dichten Blätterdach einer mächtigen Eiche suchten wir Schutz. Als grelle Blitze zuckten und heftiger Donner ertönte, entschlossen wir uns, die Fahrt fortzusetzen und schwangen uns auf die Fahrräder. Durchnässt bis auf die Haut kamen wir an unserem Hotel an. Das Wasser lief uns aus den Schuhen.
Wir mussten uns eilig frisch machen, weil uns die Mutter eines Austauschschülers mit dem Auto erwartete, bei denen wir zum Abendessen eingeladen waren. Der zarte Braten vom Charolais-Rind entschädigte uns reichlich für das kühle „Bad“ während der Heimfahrt mit dem Fahrrad.
Grußwort von Inge Müller
Ehem. Französischlehrerin an der Realschule Edenkoben und Verantwortliche für den Schüleraustausch, hat den Schüleraustausch von 1966 bis 1999 begleitet
Ein halbes Jahrhundert Schulpartnerschaft
„Seigneur, fais que je cherche non pas à être compris qu’à comprendre les autres“ sagte Franz von Assisi. Frei übersetzen kann man dies: „Du sollst Fremdsprachen lernen, damit du die anderen verstehst, und nicht, damit sie dich verstehen“.
Im Französischunterricht werden die Schüler auch mit Land und Leuten, mit der politischen und der Kulturgeschichte des französischen Volkes etwas vertraut gemacht, aber dies ersetzt nicht das persönliche gegenseitige Kennenlernen. Bei einem Schüleraustausch hat jedes Kind seinen Briefpartner und lebt in dessen Familie, lernt Familienangehörige und Freunde kennen. Dadurch trägt ein Austausch nicht nur zur Bereicherung der Sprachkenntnisse bei, sondern dient auch dem gegenseitigen Verstehen des fremden Volkes, der Entdeckung des Landes und seiner Kultur.
Als besonders erfreulich und beständig hat sich der Schüleraustausch zwischen dem Collège in Etang und der Realschule Edenkoben erwiesen. 50 Jahre, darauf sind wir stolz! Seit 1963 – die ersten beiden Jahre waren die Schüler allerdings nicht in Familien untergebracht – findet der Schüleraustausch zwischen unseren beiden Schulen ohne Unterbrechung statt. Insgesamt haben sicher über 1000 Edenkobener Schüler die Reise gemacht, von Edenkoben nach Etang und zurück; und etwa genauso viele französische Schüler reisten nach Edenkoben und zurück. Dazu müssen noch die Lehrer gezählt werden, die die Gruppen begleiteten. Bei diesen Reisen im Dienste der Freundschaft wurden tausende Kilometer zurückgelegt und durch die persönlichen Kontakte wurden echte Freundschaften geschlossen, die Vorurteile abbauten, Fehlurteile berichtigten, und der Verständigung und dem Frieden dienen.
Die meisten unserer Schüler sind begeistert von ihrem Aufenthalt in Etang zurückgekehrt und viele sind ein zweites und drittes Mal mitgefahren, weil sie sich in ihren Gastfamilien wohlfühlten und die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit schätzten. Beim tränenreichen Abschied sagte einmal eine kleine Schülerin der 7. Klasse zu mir: „Ich habe nicht gedacht, dass man fremde Menschen, sogar von einem anderen Volk, so schnell liebgewinnen kann.“ Viele Freundschaften, die durch den Austausch geschlossen wurden, dauern auch nach der Schulzeit fort.
Auch wir Lehrer begleiten unsere Schüler immer gerne nach Etang und haben stets das Gefühl, dort zu Hause zu sein. Partnerschaft und Freundschaft zu pflegen ist tausendmal vernünftiger als in den Krieg ziehen zu müssen.
Ich bin stolz, dass ich als Französischlehrerin der Realschule unsere Schüler beim 1. Austausch begleiten durfte, und der Schüleraustausch lag mir immer besonders am Herzen. Bis zu meiner Pensionierung war ich sehr viele Male gern in Etang und habe dort viele liebe Freunde gefunden.
Inzwischen ist der Schüleraustausch etwas Vertrautes geworden und aus unserem Schulleben gar nicht mehr wegzudenken. Ich erinnere mich noch gut, wie bei einem Empfang der französischen Schüler Herr Hugotte auf die Bedeutung der Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen hinwies. Er erinnerte damals an das Jahr 1963, als der erste Ring der Freundschaft geschlossen worden ist. „Dieser Ring soll zu einer Kette aus gutem Kruppstahl werden, der der Abnutzung durch die Menschen Widerstand leistet“. Ich glaube, in den vergangenen 50 Jahren hat sich an dieser Freundschaft noch keine Abnutzung gezeigt.
Der vom Schüleraustausch geleistete Beitrag zur Völkerverständigung und die damit verbundene Sicherung des Friedens sind Ziele, für die es sich immer lohnen wird, sich mit allen Kräften einzusetzen.
Die Begeisterung der Schüler, die Hilfe und Unterstützung der Schulleiter, das Engagement der Lehrer und Eltern beider Nationen haben viel dazu beigetragen, dass der Schüleraustausch zu einem festen Bestandteil des Schulalltags unserer beiden Schulen geworden ist. Ich danke alle, die dabei geholfen haben und wünsche der Schulpartnerschaft noch eine lange Zukunft.